Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Michael Kordick aus Spiegelau

Orte

Vom Wald das Beste: Michael Kordick aus Spiegelau

Spiegelau. Michael Kordick ist äußerst vertieft - und konzentriert. Jeder Schlag muss sitzen. Noch ist nicht im Entferntesten zu erkennen, an was der 50-Jährige genau arbeitet. Wieder ein Schlag mit dem Hammer auf einen metallischen Gegenstand.

Langsam aber sicher nimmt der mit Blei gefüllte Hohlraum Form an. Wenige Stunden später ist aus einem unscheinbaren Stück Kupfer eine Trompete geworden, ein handwerklich gefertigtes Unikat - und eins von 30 Blechblasinstrumenten, das jährlich die Werkstatt des Spiegelauers verlässt.

Michael Kordick ist Instrumentenbauer, genauer gesagt Metallblasinstrumentenmacher-Meister. Ein Beruf, den man nicht einfach so ausübt, sondern den man leben muss, um Perfektion, die in dieser Sparte Grundvoraussetzung ist, zu erreichen.

Darauf angesprochen, was das Geheimnis einer guten Trompete sei, verliert sich Michael Kordick schnell in einem länger andauernden Monolog, nach dessen Ende jeder Zuhörer einen Crashkurs im Trompetenbau erhalten hat. Er klärt dabei über die verschiedenen Eigenschaften seiner bevorzugten Materialen auf.

Seine Werke sind hauptsächlich aus Goldmessing, Kupfer und Neusilber - Metallarten, mit denen er am besten umzugehen weiß. Er referiert außerdem darüber, dass der jeweilige Mensurverlauf, also der Durchmesser des Rohres etwa eines Flügelhornes, ausschlaggebend sei für den Naturton - und daher bei jedem Instrumententyp identisch sein müsse.

Das, was der Spiegelauer in Angriff nimmt, macht er mit voller Überzeugung, mit Geschick und Können.

Kordick gibt ohne viel Aufhebens zu, dass er Unterstützung dabei brauche, um seine Werke vollenden zu können. Er ist ein Spezialist für Mundrohr, Stimmbogen, Schallblech und Fingerhaken, aber nicht für die so genannte Maschinerie, also für die per Finger zu bedienenden Ventile, die die Halbtöne überhaupt erst möglich machen. "Diese Teile kaufe ich zu", berichtet der 50-Jährige.

"Die Fertigung der Maschinerie gehört zwar zu meinem Beruf mit dazu, ist aber nicht mein Spezialgebiet." Und schon sind wir wieder bei der bereits angesprochenen Perfektion angelangt: Das, was der Spiegelauer in Angriff nimmt, macht er mit voller Überzeugung, mit Geschick und Können.

Er weiß aber auch, wo seine Grenzen liegen - und wo er auf das Fachwissen anderer zurückgreifen muss.

Seine Expertise basiert auf den Erfahrungen, die er in seinem Beruf seit Mitte der 80er sammeln konnte. Damals, nach erfolgreichem Abschluss der Realschule, entschied er sich gegen eine Ausbildung in einem Betrieb in der unmittelbaren Nachbarschaft. Für ihn stand bereits zum damaligen Zeitpunkt fest, dass er Instrumentenbauer werden möchte. Deshalb nahm er es auch in Kauf, seine oberpfälzische Heimat, die Stadt Neutraubling, zu verlassen.

Er lernte sich selbst neu kennen, erlebte eine Art Wiedergeburt, wurde ein im Gegensatz zu vorher bewusster lebender Mensch.

Instrumentenbau-Koryphäe Ewald Meinl nahm den jungen Mann unter seine Fittiche, damit verbunden war ein Umzug Kordicks nach Geretsried in Oberbayern. Im Rückblick eine harte Zeit, da ihm sein Lehrmeister aufgrund der hohen Ansprüche alles abverlangte. Im Rückblick jedoch auch eine sehr wichtige Zeit, weil er lernte, dass das Beste gerade gut genug sei.

Die Mühen lohnten sich am Ende. Das Gesellenstück des Oberpfälzers wurde Landes- und Bundessieger. Eben weil er vom Meister des Fachs lernen durfte - aber auch, weil er einen neuen Blick aus einer anderen Perspektive auf sein Tun erlangte.

Er lernte sich selbst neu kennen, erlebte eine Art Wiedergeburt, wurde ein im Gegensatz zu vorher bewusster lebender Mensch.

Der Grund für diesen Sinneswandel war allerdings alles andere als erfreulich: Kurz vor dem Ende seiner Ausbildung hatte er einen schweren Autounfall, der schwere Kopfverletzungen sowie unzählige Knochenbrüche zur Folge hatte. Mehrere Tage lag der junge Mann damals im Koma.

"Ich hatte jedoch Glück im Unglück. Einerseits habe ich eine hervorragende medizinische Behandlung erfahren. Andererseits habe ich durch meine Mutter, die an meinem Krankenbett wachte, erfahren, was es heißt, positiv zu denken."

"Dieser Vorfall war eine Art Reset für mein Leben"

Diese Mischung aus seelischer und körperlicher Genesung sowie dem unbedingten Willen, die Ausbildung rechtzeitig abzuschließen, sorgten dafür, dass der künftige Geselle nach nur wenigen Wochen das Krankenhaus wieder verlassen konnte - und das, obwohl die Ärzte eine Rekonvaleszenz von mindestens zwei Jahren prognostiziert hatten.

"Dieser Vorfall war eine Art Reset für mein Leben - der Grundstein für einen Wandel.

Der Unfall und vor allem die schnelle Heilung ließen mich zu einem Menschen werden, der sich auch mit geistigen Inhalten beschäftigt", erzählt Kordick in einer Mischung aus gepflegtem, fast reinem Hochdeutsch und bairischer Mundart.

Nichtsdestotrotz hatte er mit den Folgen seiner Kopfverletzung noch lange zu kämpfen. Er schaffte zwar den Gesellenbrief und arbeitete auch noch einige Zeit bei Ewald Meinl. Sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich jedoch zusehends.

Die Lautstärke und der Staub in der Werkstatt trugen dazu bei, dass Michael Kordick aufgrund langanhaltender Kopfschmerzen seinen geliebten Beruf verlassen musste - allerdings nur kurzzeitig, wie sich später herausstellen sollte.

Anfang der 90er schulte er zum kaufmännischen Bürokaufmann um, wurde Betriebswirt im Handwerksbereich, erfüllte sich den Kindheitstraum vom Fernfahrer und arbeitete schließlich in der Reparaturwerkstatt eines Musikhauses.

Eine etwas haltlose Zeit – und dennoch eine Lebensphase, die Michael Kordick nicht missen möchte, wie er heute bestätigt. Die damals gesammelten Erfahrungen machten ihn zu dem Menschen, der er heute ist - ein aus eigener Sicht rundum zufriedener, selbstständiger Blasinstrumentenbauer.

Denn 1995 lernte Kordick seine heutige Frau kennen, zog mit ihr nach Spiegelau, wo er zunächst nur nebenher seinem Lehrberuf nachging, ehe er sich wieder komplett den Trompeten und Tenorhörnern verschrieb. Dieses Mal jedoch nicht innerhalb eines Unternehmens, sondern als Ein-Mann-Betrieb. "Nun kann ich mir Zeit lassen und auch mal eine Pause einlegen, wenn sie nötig ist. Es passt einfach", sagt er und lächelt.

"Ich habe beispielsweise seit 25 Jahren keinen Fernseher"

Seine Leidenschaft für die Musik, die ihn Zeit seines Lebens begleitet, hat ihn inzwischen fast vollständig vereinnahmt. War er in jungen Jahren noch selbst aktiver Musikant und trat mit Akkordeon oder Steirischer auf, beschäftigt er sich mittlerweile ausschließlich mit der Herstellung von Blasinstrumenten. "Die Ursprünge meiner Begeisterung liegen ganz klar in meiner Kindheit. Meine Eltern nahmen uns früh auf Volkstänze oder ähnliche Veranstaltungen mit."

Mainstream-Gedudel war im Hause Kordick fehl am Platz. Es lief kein Radio, es war nur selbstgemachte Musik zu hören. Das ist übrigens auch noch heute so. "Ich habe beispielsweise seit 25 Jahren keinen Fernseher - und auch keine Zeitung. Ich lasse nur die Einflüsse zu, die mich auch wirklich interessieren."

Diese Aussage wiederum bedeutet nicht, dass der 50-jährige Familienvater ein Ignorant mit egomanischen Zügen sei. Ganz im Gegenteil. Michael Kordick ist sehr belesen, beschäftigt sich gerne mit weltpolitischen Zusammenhängen und hochgeistiger Literatur.

Und als Oberpfälzer mit böhmischer Abstammung natürlich mit seiner Familienhistorie. In Spiegelau hat er nicht nur eine neue Heimat gefunden, im Glasmacherort schließt sich für den überzeugten Waidler auch ein Kreis: "Meine Vorfahren wurden aus dem Böhmerwald vertrieben. Also bin ich praktisch zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Das ist meiner Meinung nach ein Hauptgrund, warum ich mich hier so wohl fühle."

"Also bin ich praktisch zu meinen Wurzeln zurückgekehrt"

Gleichzeitig stellt der viel zitierte "Mittelpunkt Europas" einen unschätzbaren Standortvorteil für den Geschäftsmann dar - vor allem, seitdem er den österreichischen Markt erschlossen hat. Erzählt Kordick von der Bedeutung der Musik im Nachbarland, gerät er regelrecht ins Schwärmen.

Das breite Netz an Landesmusikschulen in der Alpenrepublik sei unvergleichlich und vorbildlich - und somit idealer Nährboden für Blasmusiker vulgo: seine Kunden. Und gerade der persönliche Kontakt zu den Endabnehmern - darunter viele bekannte Künstler - sei es, der den 50-Jährigen als Abwechslung zur handwerklichen Arbeit immer wieder begeistert.

Sein (Berufs-)Leben besteht daher nicht nur aus unzähligen Schlägen auf Metalle unterschiedlichster Art - er pflegt auch seinen Kundenstamm und ist dadurch viel in Österreich unterwegs. "So zu arbeiten ist einfach optimal. Ich kann mich selbst verwirklichen - so, wie ich es mir immer gewünscht habe."