Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Modellbauer Dieter Rohr

Vom Wald das Beste

Vom Wald das Beste: Modellbauer Dieter Rohr

Schweinhütt. Dieter Rohr lebt in seiner eigenen Welt - und diese hat ihren Mittelpunkt im Keller des 69-Jährigen in Schweinhütt bei Regen. Eine Feststellung, die keinesfalls despektierlich verstanden werden soll - oder gar einen psychologische Hintergrund hat. Im Gegenteil.

Der Bayerwald-Botschafter ist vielmehr leidenschaftlicher Modellbauer. Den Großteil seiner Freizeit verbringt Rohr deshalb mit Gebäuden, die nur wenige Zentimeter klein sind, und Menschen, die nicht größer sind als ein Fingernagel. Der Blick aus der Vogelperspektive bestimmt seinen Alltag - und ließ den gebürtigen Nordrhein-Westfalen ganz nebenbei zu einem überzeugten Waidler werden.

Modellbau bedeutet für Dieter Rohr nicht nur das manchmal recht eintönige Zusammenbauen vorgefertigter Bausätze bekannter Marken wie Märklin oder Revell, die wohl jedem Hobbybastler ein Begriff sein dürften. Große Erfüllung findet er vor allem dann, wenn er sein eigenes Ding machen und seiner Kreativität freien Lauf lassen kann.

Meister der Miniatur

Wenn er etwa ein beliebiges Bayerwald-Gebäude auswählt und daraufhin anhand von Fotos einen maßstabsgetreuen Plan erstellt, um diesen dann mit einfachsten Materialien - meist Spanplatten, Holzleim und Acrylfarben - in die Tat umzusetzen. Hier kommt ihm natürlich seine Zeit als Konstrukteur zugute - aber auch ein maßgebliches Persönlichkeitsmerkmal:
Denn Geduld ist eine der wichtigsten Eigenschaften des Modellbauers, der über Wochen hinweg an einem Projekt nicht nur arbeitet, sondern dieses fast rund um die Uhr mit Haut und Haaren lebt.

Er muss dabei ruhig bleiben – es sollte nicht das kleinste Detail schief gehen, in das er mehrere Stunden Konzentration investiert hat. Dass Dieter Rohr hierfür genau der richtige Mann ist, wird im Gespräch relativ schnell deutlich. Der 69-Jährige scheint die Ruhe in Person zu sein - ein klassischer Opa-Typ, der jedoch enkellos geblieben ist. Er spricht mit leiser Stimme und vereinnahmender Überzeugung. Er weiß zu begeistern, ist unterhaltsam. Als Meister der Miniatur hat er sich im Bayerischen Wald inzwischen einen Namen gemacht.

Jüngst wurde die Dauerausstellung des Schweinhütters im Zwieseler Museumsschlösschen eröffnet - die bisher größte Bühne für seine Dioramen. Die kleinen Schaukästen, in denen Szenen mit Modellfiguren und -landschaften dargestellt werden, bestimmen seit einiger Zeit die Westentaschenformat-Arbeiten von Dieter Rohr.

Doch auch „größere Kleinigkeiten“ hat er zuletzt angefertigt und der Allgemeinheit zur Schau gestellt. So hat er beispielsweise im Rahmen der 1000-Jahr-Feier des Ortes Rinchnach dessen Kirche maßstabsgetreu reproduziert, die seitdem in selbiger begutachtet werden kann.

Bestätigung bedeutet für den 69-Jährigen nicht den Applaus von Außenstehenden.

"Ja, es hat sich schon rumgesprochen, dass ich solche Modelle bauen kann", berichtet Rohr. Worte, die ihm augenscheinlich nur schwer über die Lippen kommen. Seine Werke, die aus Sicht eines Laiens perfekt umgesetzt wurden, stellen für ihn keine Besonderheiten (mehr) dar, sondern sind vielmehr die logische Konsequenz seiner Leidenschaft für den Modellbau. Bestätigung bedeutet für den 69-Jährigen nicht den Applaus von Außenstehenden.

Auch Auszeichnungen wie bundes- oder landesweiter "Modellbauer des Jahres", verliehen durch Spielwarenhersteller Matchbox, haben nur wenig Gewicht. Er ist dann zufrieden, wenn das Projekt mehrfache Eigenprüfungen überstanden hat. Wenn er selbst begeistert ist von seinem Werk.

Sein Drang nach Perfektion ist das Erbe seines Vaters. Geboren in Lemgo in Nordrhein-Westfalen, aufgewachsen u.a. im Schwarzwald, blieb Familie Rohr, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schlesien vertrieben worden war, lange Zeit ohne Heimat. Man wohnte dort, wo es Arbeit gab. Die wenige Freizeit wurde nicht für Sport oder einen Wirtshausbesuch genutzt, sondern für den Modellbau. Eine Tradition, die noch immer ihre Gültigkeit hat. "Wir haben beispielsweise bis heute keinen Fernseher", berichtet der 69-Jährige. "Auch für Fußball interessiere ich mich nicht."

Seine Vorliebe gilt dem Bayerischen Wald im Allgemeinen – trotz oder genau aufgrund seiner eher flachlandschaftlichen Herkunft. Seine Zeit bei der Bundeswehr spielte dabei eine wichtige Rolle: Während seines Grundwehrdienstes bei der Luftwaffe in Erding hatte er immer wieder die Möglichkeit, auf halblegalem Wege Patrouillen der US-Armee während des Kalten Krieges auf dem deutsch-tschechischen Grenzkamm zu begleiten. Bereits damals faszinierte ihn der große Wald um Lusen und Rachel.

"Es funktioniert nur miteinander."

Später zog er seinen Eltern nach Regenhütte hinterher - die Endstation des arbeitsbedingten Nomaden-Daseins. Die krönenden Puzzleteile bildeten schließlich die Anstellung bei Rodenstock in Regen als Konstrukteur sowie die Heirat mit seiner Frau, einer waschechten Waidlerin.

Dieter Rohr hat sich ganz bewusst dafür entschieden, in der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald zu leben. Er hat einen unvoreingenommen Blick auf die hiesige Region, auf die Wirtschaft, Politik und den Tourismus zwischen Zwiesel und Hohenau. Zudem beschäftigt er sich gerne mit aktuellen Themen in seiner liebgewonnenen Heimat.

Die Entwicklung des einstmaligen „Armenhauses“ beobachtet der Rentner mit Wohlwollen - wenn er auch einen großen Kritikpunkt hat. "Die Menschen hier kochen oftmals ihr eigenes Süppchen. Das Kirchturmdenken ist mancherorts noch sehr ausgeprägt. Davon müssen wir wegkommen. Es funktioniert nur miteinander."

Einen Beitrag zu einem verstärkten Zusammengehörigkeitsgefühl leisten seine Modelle bekannter Woid-Objekte. Mit seinen Schöpfungen möchte er dazu beitragen, dass die Waidler die Schönheit ihrer Landschaft erkennen und die baulichen Meisterleistungen früherer Generationen wertschätzen.

Aus diesem Grund zählt etwa der Bodenmaiser Bahnhof zu denjenigen Gebäuden, die der Schweinhütter gerne noch umsetzen würde.

Die praktische Grundsteinlegung dazu hat schon angefangen: Die Außenwände stehen bereits, doch die Fertigstellung dauert noch an.

Wie so viele offene Baustellen im Hobbykeller von Dieter Rohr und dem Heizraum, der kurzerhand zur Werkstatt umgerüstet wurde.

Auch das Leben des Erbauers spiegelt sich in vielen fertiggestellten Werken wider.

Generell ist der Keller zu einer Art Museum mutiert - wenn auch unbewusst. Zahlreiche Schachteln türmen sich in jeder Ecke. Eine aufwendig konstruierte Modelleisenbahn mit Tunnel, Siedlungen und unzähligen Schienenmetern dominiert den Raum und erzählt eine ganz eigene, in sich geschlossene Geschichte.

Auch das Leben des Erbauers spiegelt sich in vielen fertiggestellten Werken wider. Während seiner Bundeswehr-Zeit hat er viele Jets gebaut, dicht gefolgt von einer längeren Eisenbahn-Phase, ehe er sich mit Dioramen und Zinnfiguren beschäftigte.

Alles in allem hat sich sein Hobby stetig weiterentwickelt - und ihn nach Eintritt ins Rentenalter vollkommen vereinnahmt. Fast.

Denn ob er will oder nicht - Familie und Freunde verlangen ebenso ihren Anteil an Dieter Rohrs engem Zeitbudget. Das darf sie auch. Der ausgeglichene Bastler, der weiterhin eher Hochdeutsch als Dialekt spricht, mag es, von Menschen umgeben zu sein - eine willkommene Abwechslung zur gewählten Einsamkeit des Hobbykellers. Und dennoch geht's auch in geselligen Stunden nicht ganz ohne seine Miniatur-Leidenschaft.

"Es geht immer noch einen Tick naturgetreuer"

Viele Bekanntschaften wurden über die Modellbauer-Schiene geknüpft, viele Werke hat er auf Bitten von Freunden hin gebaut - und sie ihnen dann gegeben. „Meine Frau und meine Tochter schenken mir zum Geburtstag und zu Weihnachten Werkzeuge, die ich unbedingt brauche“, erzählt er und schmunzelt.

Ein Ende der Miniatur-Fahnenstange ist übrigens nicht in Sicht. Durch Fachzeitschriften und -bücher erfährt er immer wieder von neuen Gestaltungsmöglichkeiten und Bautechniken. Befreundete Maler sind ihm ein Vorbild bei der Verzierung der Modelle, wo es Aussagen des 69-Jährigen zufolge bei ihm noch etwas hapert. "Es geht immer noch einen Tick naturgetreuer", zeigt er sich ehrgeizig. "In diesem Bereich kann ich noch an mir arbeiten."

Und schon taucht Dieter Rohr wieder ein in seine ganz eigene Welt - Maßstab 1:87.