Vom Wald das Beste. – Nationalparkregion Bayerischer Wald
Vom Wald das Beste: Nationalpark-Ranger Siegfried Schreib

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Vom Wald das Beste: Nationalpark-Ranger Siegfried Schreib

Hohenau/Neuschönau. Der Besuch des Internats in Passau wäre für den jungen Mann eine große Chance gewesen. "Meine Lehrer haben meinen Eltern dazu geraten. Ich hatte gute Noten und hätte das Abitur wohl geschafft", berichtet er. Doch er hielt es dort nur vier Monate aus.

Und auch später standen ihm als Maschinenschlosser in einem Freyunger Betrieb Tür und Tor auf dem Karriereweg nach oben offen. Doch auch hier lehnte er dankend ab. Siegfreid Schreib ist seit jeher ein Mensch, der die Freiheit, die Natur, den Bayerischen Wald liebt. Deshalb bekam er Heimweh, als er für kurze Zeit in der Dreiflüssestadt leben musste.

Deshalb wollte er raus aus der stickigen Fabrikhalle. Deshalb fühlt er sich gerade in seinem jetzigen Beruf pudelwohl.

Siegfried Schreib ist Ranger im Nationalpark Bayerischer Wald - mit Leib und Seele, mit Haut und Haar. Diese Tätigkeit ist für den 50-Jährigen keine lästige Pflicht, sondern vielmehr die Verwirklichung eines Traumes. Die Natur und er sind seit frühester Kindheit eine Symbiose sondergleichen eingegangen.

Er wusste schnell, dass er nicht nur nehmen darf - sondern auch geben muss.

Bereits in jungen Jahren verbrachte der Hohenauer den Großteil seiner Freizeit in den Wäldern der Umgebung - gemeinsam mit Freunden erkundete er auf dem Fahrrad die Flora und Fauna seiner Heimat. Gleichzeitig erfuhr er nach einem Arbeitsunfall seines Vaters früh, was es heißt, Verantwortung übernehmen zu müssen - gegenüber der Familie, den Mitmenschen und insbesondere der Natur. Er wusste schnell, dass er nicht nur nehmen darf - sondern auch geben muss.

Sein Job bei der Nationalparkwacht ist dabei sein persönlicher Dank an die Umwelt.

Natur Natur sein lassen - das Motto des Nationalparks ist gleichzeitig Siegfried Schreibs Credo. Seine Einstellung ist nicht die Folge seines Engagements im Schutzgebiet - sondern umgekehrt. So verwundert es auch nicht, das der in Kirchl bei Hohenau lebende Waidler bedingungsloser und überzeugter Befürworter des Reservats ist.

"Die Argumente der Nationalpark-Gegner sind leicht zu widerlegen", weiß er. "Der Mensch ist doch nur auf seinen Nutzen aus und greift deshalb in die Natur ein. Dass das gefährlich sein kann, beweist unter anderem die große Borkenkäfer-Population. Nur weil man aus wirtschaftlichen Gründen fast ausschließlich Fichten gepflanzt hatte, kann sich dieser Schädling nun derart ausbreiten."

Der kleine Käfer, der in heimischen Wäldern große Schäden anrichtet, hat Siegfried Schreib gleich nach seinem Start bei der Nationalpark-Wacht 1994 gezeigt, dass die Forstwirtschaft ein Thema ist, das viele Gemüter erhitzt.

Nachdem er damals im Fernsehen eine Reportage über Ranger ("mein Schlüsselerlebnis") gesehen hatte, bewarb er sich erfolgreich auf eine ausgeschriebene Stelle - und trat seinen Dienst mit positivem Enthusiasmus an.

Seine ersten Schritte als "Grosad-Gendarm" fanden dabei in der wohl schwierigsten Zeit des Nationalparks Bayerischer Wald seit Bestehen statt: Mitte der 90er Jahre erlebte die Region um Lusen und Rachel eine wahre Borkenkäfer-Invasion.

In der Folge wurden die Wälder regelrecht dahingerafft. Dass diese wüstenähnliche Landschaft den Startschuss für eine außergewöhnliche Entwicklung in punkto Artenvielfalt darstellen sollte, war damals jedoch noch nicht ersichtlich.

"Die Leute waren deshalb zunächst traurig und deprimiert, später dann außerordentlich aggressiv." Auf ihren Streifzügen durch das Schutzgebiet wurden Siegfried Schreib und seine Kollegen geradezu angefeindet - verbal und mitunter sogar körperlich. "Eine sehr schwierige Zeit", erinnert sich der heute 50-Jährige an die damaligen Verhältnisse.

Der Hohenauer beschäftigt sich jedoch lieber mit positiven als mit negativen Dingen, ist generell ein zufriedener Mensch, der mit sich und seiner Umwelt im Reinen ist. Schreib ist darüber hinaus ein unterhaltsamer Erzähler - einer, dem man gerne zuhört, der begeistern kann. Nicht umsonst ist er unter den Rangern der Medienbeauftragte. Derjenige, der den Umgang mit Journalisten, Kameraleuten und Fotografen gerne und ohne Scheu übernimmt.

"Eine sehr schwierige Zeit"

Seit der Jahrtausendwende - nach der Käfer-Flut wurde etwa rund um den Lusen "neues" Leben sichtbar – gestaltet sich die Kommunikation mit den Besuchern des Nationalparks wieder einfacher, positiver, erfreulicher. Als Ranger ist Siegfried Schreib in seinem Gebiet rund um Mauth und Finsterau dafür zuständig, dass etwa das Wegegebot eingehalten wird - die 25 Ranger im gesamten Schutzgebiet fungieren wie eine Art Nationalpark-Polizei.

Gleichwohl nehmen die Berufswanderer, wie sie sich mit einem Schmunzeln selbst bezeichnen, eine Aufklärer- bzw. Lehrerrolle ein. "Wir haben auf Naturfragen aller Art in den allermeisten Fällen eine Antwort parat", macht Schreib deutlich.

Die Aneignung dieses Wissensschatzes ist mit der Lektüre vieler Sachbücher, dem Anschauen zahlreicher Dokumentar-Filme und dem Absolvieren einiger Lehrgänge verbunden. Eine spezifische Ausbildung für Ranger gibt es nämlich nicht. Vieles ergibt sich durch Learning-by-Doing. Die Truppe im Nationalpark Bayerischer Wald ist in fünf geographischen Bereichen tätig. Jeder der Ranger hat im Laufe der Jahre sein Spezialgebiet gefunden: Während sich Siegfried Schreib als PR-Experte entpuppte, hat ein anderer seinen Schwerpunkt etwa auf englischsprachige Führungen gelegt, wieder ein anderer tat sich als leidenschaftlicher Ornithologe hervor. "Alles in allem sind wir ein vielseitig begabter Haufen", stellt er mit einem Augenzwinkern fest.

"Alles in allem sind wir ein vielseitig begabter Haufen"

Er erzählt von einem guten Miteinander der Nationalpark-Wächter, verdeutlicht aber auch, dass Ranger meist Einzelgänger sind. Im Normalfall legt jeder Grosad-Gendarm täglich bis zu 20 Kilometer auf einer vorher abgesprochenen Route zurück - alleine. Wobei von Einsamkeit keine Rede sein kann. "Es ist die absolute Ausnahme, dass einem mal über längere Zeit hinweg niemand über den Weg läuft. Wir müssen stets kontaktfreudig sein", betont der Hohenauer.

Tagein tagaus ist er in den Wäldern unterwegs, von frühmorgens bis spätabends, an Werk- und an Feiertagen. So „frisst“ sich Siegfried Schreib Kilometer um Kilometer durchs Schutzgebiet, sammelt Erfahrungen in der Natur und lernt viele Menschen kennen.

Es kommt daher durchaus vor, dass er ab und an Regen- und triste Herbsttage herbeisehnt, an denen es mal etwas ruhiger zugeht. Auf die faule Haut legen kann er sich aber auch dann nicht. Denn als Ranger ist er in dieser Zeit mit der Ausarbeitung der Dienstpläne beschäftigt, mit Mitarbeiter-Gesprächen oder schlicht und einfach mit Lernen. "Es ist das A und O, dass wir stetig auf dem neuesten Wissensstand sind, was Forstwirtschaft, Umweltschutz und viele andere Themen betrifft", macht der Nationalpark-Angestellte deutlich.

Nicht nur deshalb nimmt er seinen Job auch nach Feierabend mit nach Hause. Ähnlich wie einen Bürgermeister oder Pfarrer betrachten Siegfried Schreib viele auch im Privatleben als Ranger.

Eine Tatsache, mit der er sich zunächst anfreunden musste, die ihn aber inzwischen nicht mehr weiter stört. Er lebt und liebt seinen Job, ist ein Waidler durch und durch. Er hat deshalb auch immer die generelle Entwicklung seiner Heimat im Blick - vor allem den touristischen Bereich, mit dem er täglich in Berührung kommt.

"Über jeden, der über einen Rückgang der Urlauberzahlen spricht, kann ich nur lachen. Denn der Tourismus hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen", betont Schreib - und ergänzt: "Einer der Hauptgründe dafür ist der Nationalpark, der nicht nur in Sachen Umweltschutz unglaublich wichtig ist. Er hat unsere Region attraktiver und somit für Touristen interessanter gemacht." Klares Statement, klare Meinung – auch dafür steht Ranger Siegfried Schreib.

„Im Woid, im rauschenden Bayerischen Woid, do bin i dahoam.“

Ihm ist deutlich anzumerken, dass er sich wohlfühlt in der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald. Er scheint rundum glücklich zu sein, liebt die Freiheit, die Gerüche und Farben in den Wäldern - und ist einfach nur froh darüber, nicht mehr im Internat in Passau oder in der Fabrik in Freyung lernen bzw. arbeiten zu müssen.

Frei nach dem Lusenlied: „Im Woid, im rauschenden Bayerischen Woid, do bin i dahoam.“